Statements

Peter Assmann - Näher zum Wachstum der Bilder
Anmerkungen zum Oeuvre von Frnz Srownal

Wer, so wie Franz Srownal, auf ein langjähriges und konsequent entwickeltes, malerisches und graphisches Oeuvre zurück blicken kann und sich hier zudem erfolgreich in einer konsequenten „Frische“ des Bildzugriffs trainiert hat, der bewegt sich mehr als souverän im kreativen Prozess der Bildentstehung. Ein solcher Künstler bringt aber auch die Fähigkeiten mit, noch tiefer einzudringen in diesen so faszinierenden Prozess der Bildwerdung, der Entstehung von Bildvorstellungen in jener delikaten Phase knapp bevor sich Farb- und Formkonstellationen soweit konkretisiert haben, dass der Betrachter sogleich eine Zuordnung parat hält.

Franz Srownal ist in diesem künstlerischen Aufmerksamkeitsfeld noch tiefer vorgedrungen. Mit einem breiten Repertoire an möglichst direkt formulierten Form- und Farbgebilden konzentriert er seine bildkünstlerische Aufmerksamkeit auf den immer behutsamer erfassten Moment der Bildwerdung: jenen Moment, an dem sich so etwas wie der Ansatz einer Bildvorstellung beim betrachtenden Menschen entwickelt, als eine erste Spur niederschlägt bzw. den Schritt hin zur Konkretisierung setzt.

Es sind vor allem malerische Prozesse, die der Künstler hier zum Einsatz bringt: Farbflächen werden gegeneinander gesetzt oder übereinander geschichtet, wobei diese Farbflächen vor allem als Farbmasse im Sinne ihrer Materialhaftigkeit verstanden werden. Diesem malerischen Prozess ist daher immer etwas Erdhaftes eingeschrieben, auch die chromatischen Schwerpunktsetzungen mit den Rot-Braun-Ocker-Tönen weisen in diese elementare Richtung. Sehr bewusst und zugleich sehr spontan werden diese Farbmaterialflächen vom Künstler zum Einsatz gebracht. Sie definieren Feldpositionen auf dem Bildträger mit aller Kraft ihrer Materialität wie auch mit ihrer Signalhaftigkeit als Farbwirkung. Beides ist jedoch untrennbar miteinander verbunden und bestimmt damit auch so etwas wie ein Verständnis von Massenkörpern. Dazwischen gesetzte graphische Spuren verdichten und akzentuieren einzelne Bereiche und lassen in manchen Detailsituationen auch so etwas wie die Annäherung an Körperdarstellung erahnen. Allerdings ist das Körperliche stets über das Material vermittelt - als eine Art von Schichtungsballung, eine Gebildeform, die sich primär als Möglichkeitsbereich einer Formentwicklung vorstellt.

Es ist daher niemals ein Körper zwingend fest geschrieben, schon gar nicht konturiert. Die Farbflächen präsentieren sich wie zur einen Hälfte hingeflossen, zur anderen Hälfte hingesetzt. Sie tragen also einerseits die Dynamik einer eigenen Ausdehnung in sich und vermitteln andererseits dennoch die Spuren einer formgebenden Orientierung.

Eine solche Orientierung entwickelt sich vor allem aufgespannt zwischen einzelnen polaren Perspektiven – etwa dem Spannungsverhältnis zwischen dem Auftritt des Individuellen sowie des allgemein(er) Gültigen. Der Auftritt des betont Selbstständigen, Unabhängigen, in sich Abgeschlossenen, „In-dividuellen“ tendiert in einem solchen Spannungsverhältnis stets zum „Mit-Teilbaren“, zu Anklängen an intersubjektiv erfahrbare Erinnerungsbilder. Grundsätzliche Assoziationen wie Landschaftliches, Figürliches, Pflanzliches, Tier- oder Menschenkörperähnliches sind hier erkennbar und lassen sich diskutieren. Damit sind soziale Verbindungen dieser Bildentstehungsformen denkbar – allerdings unter dem eindeutigen Prätext der massiven Beweglichkeit der vorgestellten Form und Farbkonstellationen.

Chaos und Wildheit sind daher in ihrer vollen Tragweite spürbar. Die Bewegungsdurchmischung vermittelt sich dem Betrachter in der Wucht eines tektonischen Ereignisses, gleichsam dimensionslos in der Zuordnung, jedoch eindeutig jenseits der Zirkelformen des menschlichen Intellekts wirksam. Und dennoch ist dieses tektonische Aufeinanderprallen der Farbkörper in keiner Weise limitiert auf den Auftritt roher Urgewalten. Die Form- und Farbgebilde scheinen sich in einem Zustand zu befinden, der sie in Richtung einer zuordenbaren Bildhaftigkeit bringt, also vorhandene Bildvorstellungen des Betrachters anspricht und hier einen Zusammenhang herstellt. Franz Srownal hat in diesem Wirkungsfeld eine feine künstlerische Balance erarbeitet, eine Balance innerhalb eines faszinierenden Werdeprozesses von Bildvorstellungen; angesiedelt am Rande der Materialfaszination, auch am Rande eines magischen Denkens in grundlegenden Symbolformen und ritualorientierten Zugriffen des Menschen auf seine Umgebungswirklichkeit.

Welche Bilder entstehen aus solchen Prozessen heraus? Wie können wir diesen faszinierenden Moment greifen, an dem sich ein Bildgedanke selbst erstmals bildet? Der Künstler Franz Srownal führt uns in diese faszinierenden Fragestellungen direkt hinein und gibt hier mit seiner großen kunsthistorischer Bilderfahrung der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts - man denke etwa nur an das Werk eines Antoni Tapies - und einer besonders ausgeprägten persönlichen Bildsensibilität erste Orientierungen.

Der Künstler geht zudem markante Schritte weiter, sondiert tiefer in die Ebenen des Bildmöglichen. Wie selbstverständlich werden die Spurentraditionen der Kunstgeschichte zum Einsatz gebracht, um sie allerdings noch eine Spurbreite weiter offen zu halten und daher den Bewegungsradius des Bildmöglichen noch weiter auszudehnen, bevor die gleichsam automatische Sozialbewegung von Bilddefinitionen, Bildzuordnungen und Bildeinordnungen ihren Platz beansprucht.

Die Kunstbewegungen des „neuen Wilden“ scheint hier auf noch sensiblere Bildwirkungsebenen ausgedehnt worden zu sein. Ist diese spezifische „Wildheit“ des Bildes in anderen Oeuvres zumeist zu symbolnahen oder begrifflichkeitsnahen, in jedem Fall zu abgerundeten Bestimmungen drängenden Formulierungen geführt worden, so präsentiert sich hier ein künstlerisches Werk, das konsequent nach einem noch tieferen Beginnen sucht, nach einer noch weiter hinabreichenden Wachstumsdynamik von Bildwahrnehmungen. Es gilt hier, gleichsam einen Bildkonstellationsfaden noch weiter aufzurollen, gleichsam das künstlerisch sensibel investigative „Senkblei“ noch behutsamer und tiefer abtauchen zu lassen, um das „offene Kunstwerk“ in seiner Prozesshaftigkeit des Betrachtungsmöglichen noch weiter ausdehnbar zu machen.

Je länger diese Bildkompositionen betrachtet werden, desto mehr bleibt von dieser so behutsam begonnenen Bildspur im Kopf des Betrachters hängen, um selbst weiter zu wirken, um den Hinweis auf die eigenen Bildmöglichkeiten zu stimulieren - nicht zuletzt, um auch Wege aufzuzeigen, wie es gelingen kann, dem Moment des Kreatürlichen etwas näher zu kommen, dem Moment des Wachstumsbeginns und – weiter gedacht - dem Entwicklungsmoment der Bildgestaltung einer Weltbildformung in ihren ausbalancierten Anfängen.

 

Mag. Dr. Peter Assmann geboren 1963; bis 2000 Leiter der Oberösterreichischen Landesgalerie Linz. Danach Direktor des Oberösterreichischen Landesmuseums Linz. Doktor in Kunstgeschichte, Magister in Geschichte und Germanistik, Lehrbeauftragter an der Universität für Gestaltung in Linz. Präsident des Museumsbundes Österreich Bildender Künstler, Schriftsteller.