Statements

Dieter Ronte - Erinnerungen an die ordnende Macht der Malerei

Die Erinnerungen an das Werk von Franz Srownal nach vielen Wochen sind kompakt. Ein großer malerischer Kosmos spricht von Enthusiasmus, Liebe, Drang, Suchen, Privatheit und Öffentlichkeit. Die Bilder zeigen vielfältige Verstrickungen der Gegenwart mit der Vergangenheit auf. Franz Srownal lässt Bilder in vielen Schichten erwachsen, die scheinbar eine umgekehrte Archäologie aufleuchten lassen. Es ist kein Zufall, dass Rost in vielen Qualitäten in den Bildern eine große Rolle spielt. Er konserviert und erinnert an den Oxidationsprozess, an Vergangenheit und das Vorausrosten in die Zukunft. Er steht für eine Vertrautheit, die jetzt nicht mehr als negative Erfahrung durchbricht, sondern als ästhetische Komponente dominiert. Zeiterfahrungen verdichten sich, viele historische Wahrheiten verschmelzen in den Bildern, die zugleich in die Zukunft hineinwachsen. Srownal ist ein besessener Maler, der malen muss. Seine Malerei ist für ihn die Suche nach sich selbst, seiner Vergangenheit ebenso wie seiner Gegenwart und Zukunft. Alle Zeitebenen enthalten das Ungewöhnliche, das z.T. skurrile, das Unerwartete, das Ernste und das Heitere die Planung und den Zufall. Die Bilder zeigen diese autobiografischen Situationen auf, ohne in einen erzählerischen Habitus zu verfallen. Die Malerei geht über das narrative Element hinaus, ohne es ganz zu leugnen. Es hängt von der Bildbetrachtungserfahrung des Einzelnen ab, in welcher Richtung er die Bilder interpretieren will und kann. Das Bild enthält diese rezeptiven Öffnungen. Es ist nicht hermetisch, es bleibt offen für den dialogischen Prozess. Dieser Prozess lässt sich an jedem einzelnen Bild ablesen, besonders dort, wo der Künstler die Leinwand, den Bildträger einengt, ihm neue Konturen verpasst. Dadurch verändert er die Leinwand als Arena ( Jackson Pollock ), um die neue Form nicht als Arena, sondern als ein besonderes Spannungsfeld für seine späteren künstlerischen Entscheidungen zu machen. Die Ausgangsform wird konstituierend für die nachfolgenden Setzungen. Srownal formuliert eine Arena des Geistes, der Poesie, nicht der ausübenden, expressiven Körperlichkeit. Die Bilder sind stets in einem Format gehalten, das den Maler nicht zum Siegen zwingt, sondern ihn als Partner ernst nimmt. Doch am Anfang eines Werkes muss eine bildnerische Explosion stattfinden, damit ein Prozess mit einer eigenen Dynamik entstehen kann. Dieser Prozess lässt sich nur schwer stoppen. Noch schwieriger ist es für den Künstler zu entscheiden, wann er aufhören muss, ob ein Schritt weiter das Bild verbessert oder zerstört. Bei Srownal kann diese finale Entscheidung ein leichter Strich sein. Delikat vollenden sich die Bilder. Sie enthalten, wie es der Fotograf Cartier- Bresson formuliert hat, diesen entscheidenden Blick auf die Bildwirklichkeit, welche die relevante Realität für den Künstler ist. Seine Erinnerung an die gesehene Wirklichkeit außerhalb des Bildes ist sekundär. Die Bildwirklichkeit ist aber so real, dass sie taktil erfahrbar ist.

Wie in den Grabungsfeldern der Archäologie sind die vorkommenden Farben Zusätze der Ausgräber, Markierungen, um die Vergangenheit besser einzuordnen. In seinen Bildern braucht der Künstler diese Markierungen nicht. Doch die Bilder erinnern an die Grabungsfelder. Sie sind nicht grell oder bunt, sondern tendieren zu einer malerischen farbigen Monochromie, in der Gelüste für Endphasen eingekapselt sind, literarische Einbindungen an das Vermessen der Welt, das Verfließen der Kulturen. Eine Archäologie des Malens als Denkprozess zeigt Osmose, Erosionen, Erdschwere und Rostungen auf, die durch den Schwebezustand des einzelnen Werks in Freiheit und Poesie eingebunden werden. Dieses malerische Umgehen mit sich selbst kann als ein Vabanquespiel verstanden werden. Nicht so bei Srownal. Denn seine Kunst sucht zwar den Autor als Alter Ego, ist aber zugleich ein nie endender Vorgang, der seine Kraft aus der Balance von dem Zwang zum Malen, der möglichen Distanz des Künstlers und der bildlichen Objektivierung zieht. Die Aussagen sind ebenso konkret wie klandestin. Der Künstler weiß um die Kraft der Geheimnisse, die seine Bilder für spätere Zeiten zukunftsfähig erhalten.

 

Prof. Dr. Dieter Ronte geboren 1943 Leipzig, Sachsen / Deutschland
Der Kunsthistoriker Dieter Ronte war von 1989 bis 1993 Direktor des Sprengel Museums Hannover. Bis zu seiner Pensionierung Ende 2007 war er Leiter des Kunstmuseums Bonn. Vor seiner Zeit in Hannover hatte Ronte zehn Jahre lang dem Museum Moderner Kunst in Wien vorgestanden. Er studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Romanistik und promovierte 1970 über „Dante und die Nazarener“.Seine Verabschiedung in den Ruhestand nahm Ronte als Anlass, ein neues Amt anzunehmen: Seit Anfang 2008 leitet er das neue Forum Frohner im österreichischen Krems.

Leitung
1979 - Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig 20er Haus, MMK , Wien / Österreich
1989 - 1993 Sprengel Museum, Hannover / Deutschland Kunstmuseum Bonn, Bonn / Deutschland Prof. Dr. Dieter Ronte, geboren
1943 in Leipzig, war von 1979 Direktor des Museums Moderner Kunst Wien und von 1989 Direktor des Sprengel Museums Hannover.
Von 1993 bis 2008 Direktor des Kunstmuseums Bonn.